● Hallo Anke. Vielen Dank, dass du dem Interview zugestimmt hast und über deine Geschichte erzählen magst. Magst du dich kurz vorstellen?
Vielen Dank für Euer Interesse an meiner Geschichte. Mein Name ist Anke, ich bin 45 Jahre alt, ledig und arbeite als Flugbegleiterin.
● Du bist an einer eingebetteten Blaseninfektion erkrankt. Was waren deine Symptome zu Beginn deiner Erkrankung? Was war der Auslöser für die Erkrankung?
Am Anfang meiner Erkrankung hatte ich sporadisch immer wieder Blasenentzündungen, die aber mit Gabe von Antibiotika sofort wieder verschwanden. Die Zeiten zwischen den BE war lang und beschwerdefrei.
Allerdings wurden die Abstände zwischen den Entzündungen immer kürzer, was ich auch auf die immer kürzere Gabe von Antibiotika zurückführe. Irgendwann kam es fast monatlich zu Entzündungen. Der Hauptauslöser meiner Blasenentzündungen war fast immer sexuelle Aktivität.
Ich hatte irgendwann gar keine Ruhephasen mehr zwischen den Entzündungen sondern spürte meine Blase täglich. Mal mehr, mal weniger, aber es war mir klar, dass das kein normaler Zustand war. Ich war permanent in Angst vor der nächsten Infektion, die auch nie lange auf sich warten ließ.
"...lediglich ein geröteter Blasenboden wurde entdeckt. Mir wurde dort durch die Blume gesagt, dass viele Frauen dieses Problem haben, aber dass das keine so schwere Erkrankung sei."
● Welche Ärzte hast du kontaktiert und was wurde dir gesagt?
Zunächst war ich bei Hausärzten und meiner Gynäkologin. Die konnten sich keinen Reim auf die immer wiederkehrenden Entzündungen machen und gaben die üblichen Tipps, die aber alle überhaupt nicht halfen. Eine genaue Diagnose hatte ich nicht, einmal wurde „Reizblase“ genannt, und ich müsse mich damit abfinden. Ich bekam auch die Strovac Impfung, die es kurzfristig etwas besser, langfristig aber noch viel schlimmer machte. Irgendwann bekam ich eine Überweisung zur Urologie. Dort wurde dann eine Blasenspiegelung vorgenommen, auch ohne richtigen Befund, lediglich ein geröteter Blasenboden wurde entdeckt. Mir wurde dort durch die Blume gesagt, dass viele Frauen dieses Problem haben, aber dass das keine so schwere Erkrankung sei. Hiprex kannte die Urologin dort zum Beispiel gar nicht, das Interesse an der Erkrankung war eigentlich nicht vorhanden.
Ich bin dann ca. ein Jahr später aus purer Verzweiflung nochmal zu dieser Urologin gegangen um eine Urinkultur anlegen zu lassen. Zuvor hatte ich eine über meinen Hausarzt anlegen lassen, die als „kontaminiert“ zurückkam (mehrere Keime) und daraufhin keine Behandlung erfolgte. In der urologischen Praxis wurde dann ein multiresistenter Ecoli gefunden und ich war sogar irgendwie erleichtert darüber, da ich nun schwarz auf weiß hatte, dass ich mir das alles nicht nur einbilde.
Das Gute was mir in dieser Praxis widerfahren ist, ist dass mir dort Nitrofurantoin in geringer Dosis für 6 Monate verschrieben wurde und ich dadurch eine Besserung verspürte. Da ich zu diesem Zeitpunkt schon länger in der Facebook Gruppe zur eingebetteten Blasenentzündung war hatte ich mich schon über die Behandlung in England belesen und dann zügig einen Termin vereinbart in der Hoffnung dort echte Hilfe zu bekommen.
● Wie sah dein Alltag aus mit der unbehandelten Krankheit bzw den Symptomen?
Meine Blase war einfach immer präsent, ich spürte permanent dass etwas nicht in Ordnung ist. Auch ein dumpfes Brennen am Blasenboden nach dem Wasserlassen spürte ich immer. Dazu kamen immer wieder akute Entzündungen, die immer Leukozyten auf den Urinstiks zeigten, bis sie es eines Tages nicht mehr taten. Ab da war es ein Problem an Antibiotika zu kommen, weil die Ärzte behaupteten, der Urin sei „sauber“, während ich aber eine akute Blasenentzündung spürte.
Ich möchte hier betonen, dass diese Erkrankung neben den körperlichen Schmerzen auch eine erhebliche psychische Belastung mit sich bringt. Selbst ein einfühlsames Umfeld versteht nicht, was diese Krankheit mit einem macht. Sie belastet auch die Partnerschaft ganz extrem, da Intimität sich auf einmal stark mit der Angst vor einer nächsten Infektion verbindet. Auch der ganz normale Alltag leidet sehr. Man versucht zwar wie gewohnt zu funktionieren, aber im Hinterkopf ist ständig die Blase, Schmerzen, Harndrang, Angst und Verzweiflung.
● Wie hast du von dem Behandlungsansatz in London erfahren?
Als ich zum ersten Mal in der deutschen Gruppe zur eingebetteten Blasenentzündung gelesen habe dachte ich mir: das ist furchtbar, das darfst du nicht haben. Und doch, das was die Frauen da beschrieben passte genau zu meinen Symptomen und meinem Werdegang. Dort und in der englischen Gruppe habe ich mich über die Behandlung in London informiert und bin dann sehr zeitnah - während der schlimmsten Corona Zeit - nach London geflogen.
● Wann bist du das erste Mal nach London gereist und was wurde dort gemacht und gesagt?
Mein erster Termin war im April 2021. Zu diesem Zeitpunkt nahm ich schon circa 3 Monate Nitrofurantoin in geringer Dosis, welches mir meine Urologin verschrieben hatte. Ich musste Urin abgeben, es wurde die Leukozyten und Epithelzellen gezählt und durch eine Batterie an Fragen mein Symptomscore erhoben. Zu diesem Zeitpunkt ging es mir dank des AB schon etwas besser und ich sagte zu meiner Ärztin, halb im Scherz, halb ernst, wer weiß, vielleicht bin ich auch nur ein Hypochonder. Nach dem Blick auf meine Werte sagte sie: „Nein, das sind Sie nicht. Ich sehe hier erhöhte Werte.“ Dieser Satz ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit Jahren ernst genommen und kann meine Erleichterung darüber bis heute kaum in Worte fassen. Da ich das Nitrofurantoin gut vertragen habe und es bei mir sehr gut wirkte, wurde es mir weiterhin verschrieben. Dazu wurde mir Hiprex verschrieben.
● Wie haben sich deine Symptome seit Behandlungsbeginn bis heute entwickelt? Wie geht es dir?
Seit Behandlungsbeginn im April 2021 war ich alle 3-4 Monate in London, auch immer mit aktuellen Nieren- und Leberwerten im Gepäck (bei denen mich mein Hausarzt glücklicherweise unterstützte).
Meine Symptome verbesserten sich langsam aber stetig, meine Werte schwankten aber immer sehr stark. Aber die Symptomkurve ging stetig nach unten. Mir ging es immer besser. Hin und wieder hatte ich kleinere Flares, die aber innerhalb von wenigen Tagen wieder weg waren. Die Normaldosierung war 2x100 mg Nitro und 2x1 Gramm Hiprex pro Tag.
Im Dezember 2022 wagten wir erstmals das Absetzen des Antibiotikums. Leider erlitt ich danach einen starken Rückfall, der mich auch psychisch ziemlich mitnahm.
In 2023 startete ich dann den zweiten Absetzversuch des AB, der glücklicherweise funktionierte. Hiprex nahm ich weiterhin. Im Dezember 2023 wurde ich dann aus der Klinik in London entlassen. Seitdem ist genau ein Jahr vergangen. Mir geht es immernoch sehr gut. Ich hatte seitdem keinen Rückfall.
"Meine Hoffnung ist auch, dass mehr Frauen geholfen wird, die jetzt vielleicht noch gar nicht wissen was sie überhaupt haben."
● Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Mein größter Wunsch ist es, nie wieder eine Blasenentzündung zu bekommen. Ich weiß nicht wie realistisch das ist, zumal wir als Frauen mit der Menopause und den dazu gehörenden Veränderungen nochmal eine Zeit erleben, wo wir anfälliger werden für diese Infektionen. Aber ich blicke positiv in die Zukunft und habe notfalls immer die Möglichkeit, mich wieder an die Klinik in London zu wenden.
Meine Hoffnung ist auch, dass mehr Frauen geholfen wird, die jetzt vielleicht noch gar nicht wissen was sie überhaupt haben.
Das Tückische an dieser Erkrankung ist, dass sie einfach nicht linear und logisch ist. Es kann jederzeit Rückfälle geben, manche müssen das Antibiotikum wechseln, es geht einem 3 Monate gut, auf einmal wieder nicht. Das ist sehr frustrierend und raubt einem manchmal wirklich die Nerven.
● Was würdest du dir von deutschen Fachärzten wünschen und wie siehst du die Versorgung im Bezug auf eine eingebettete Blaseninfektion in Deutschland?
Die Versorgung bei der eingebetteten Blaseninfektion in Deutschland ist katastrophal. Es gibt sie in Deutschland ja offiziell nicht einmal, Großbritannien ist da schon einen Schritt weiter. Ich würde mir wünschen dass die Ärzte nicht länger die Augen verschließen vor den vielen Frauen, die immer wieder in ihre Praxis kommen. Viele Ärzte sind tatsächlich immer noch überzeugt dass die Blase keimfrei ist. Viele bleiben nicht auf dem neuesten medizinischen Stand und arbeiten mit veralteten Informationen. Und wenn dann ein Patient mit neueren Studien kommt sehen das einige als Bedrohung oder gar als Beleidigung.
Davon abgesehen habe ich auch schon so viele Fälle gehört, in denen die Beschwerden auf die Psyche der Frau geschoben werden. Dieses medizinische Gaslighting ist besonders perfide, da die Patientin, die ohnehin schon leidet nun auch noch an sich selbst zweifelt.
Meiner Meinung nach muss auch die kurze Gabe von Antibiotika überdacht werden. Früher bekam man bei einer BE standardmäßig 2 Wochen AB. Inzwischen gibt es oft ein Einmalantibiotikum. Für viele reicht das tatsächlich auch, aber bei einigen führt dies zur eingebetteten Blasenentzündung, die das Leben der Betroffenen zerstört.
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